Predigt zum Thronfest der Heiligen Myrrhetragenden Frauen vom 03.05.2020
5.05.2020 | Thema: Predigt, Tagebuch |
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Christus ist auferstanden!
Frohes Fest, liebe Brüder und Schwestern!
Heute feiert unsere kleine, wunderbar-warme und gemütliche Kirche ihren
Thronfest. Sie ist nach den Heiligen Myrrhetragenden Frauen benannt. Das ist nicht zufällig so von unserem verstorbenen Erzbischof Theophan abgesegnet worden. Er sagte, eine Kirche auf einem Friedhof müsse unbedingt eine Auferstehungs-Kirche sein. Sie müsse jeden, der diesen Ort aufsucht, um um seine Nächsten zu betrauern, allein schon durch dieses ihr Thema trösten und befrieden. Auch wir sollten, wenn wir auf unsere Kirche der Heiligen Myrrhetragenden Frauen blicken und uns ihre Opfertat vor Augen führen, nicht trauern wie die, welche keine Hoffnung kennen, sondern uns daran erinnern, dass durch die Auferstehung der Tod besiegt wurde. Und jedem von uns und unseren Nächsten ist eine Begegnung mit unserem auferstandenen Erlöser versprochen. Heute feiern wir das Gedenken an diese Heiligen Frauen und ebenso an die Heiligen Joseph und Nikodemus. Denn an diesem heutigen Tag ist es besonders wichtig sich daran zu erinnern, dass ein gläubiger Christ Gott treu sein muss. Es ist unmöglich, zu glauben und nicht treu zu sein. Und heute sehen wir am Beispiel der Jünger des Erlösers, wie ein treuer Mensch sein kann. Wir hören heute, wie diejenigen sich als treu erwiesen, die die Unbedeutendsten schienen. Es waren heimliche Jünger, die zu Lebzeiten des Erlösers Angst davor hatten, ihren Glauben offen zu bekennen. Das waren die Menschen, die durch unsichtbare Heldentaten den Herrn begleiteten, die Myrrhetragenden Frauen, die durch ihre Arbeit, ihren Besitz und ihre Fürsorge für den Herrn und seine Jünger sorgten. Und eben diese Menschen, deren wir heute gedenken, erwiesen sich als die Stärksten, Mutigsten und Treuesten. Ihre Leistung ist etwas, woran wir uns heute erinnern. Wir sehen, dass sowohl die einen wie die anderen Risiken eingegangen sind und überhaupt nicht darüber nachgedacht haben.
Die Liebe zum Herrn war die Hauptantriebskraft für ihre Taten, der einen
wie der anderen. Wir sehen, dass Joseph und Nikodemus, nachdem der Herr verschieden war aber noch nichts bekannt war über das Wunder und die Freude seiner Auferstehung, den Entschluss zu einem öffentlichen
Bekenntnis fassen. Sie verstehen sehr wohl, dass ein solches Bekenntnis
sie nicht nur ihre gesellschaftliche Stellung, Hab und Gut, sondern
vielleicht sogar das Leben kosten kann. Aber sie gehen hin und nennen
sich Seine Jünger. Sie bitten um Seinen Leichnam und bestatten ihn mit
allen damals üblichen Ehren. Und die Frauen sahen von Ferne zu und
beobachteten, wie der Herr ins Grab gelegt wurde. Am Tag darauf, dem
Sabbat-Ruhetag, hatten sie kein Recht ihrer Trauer anders Ausdruck zu
geben als durch ihre Tränen. Aber gleich am ersten Tag nach dem Sabbat,
den Tag, den wir heute Sonntag nennen (russisch „voskresenije“ heißt
sowohl Sonntag als auch Auferstehung), wenn das Gesetz es erlaubt, das
eigene Haus zu verlassen und seinen Geschäften nachzugehen, mit der
aufgehenden Sonne, so früh, wie es nur geht, machen sie sich auf den Weg
zum Grabe des Herrn, um ihre Liebestat zu vollbringen, den Ritus der
Salbung des Toten mit Myrrhe. Myrrhe, das ist das besonderes, duftendes
Öl, mit dem die Toten gesalbt wurden. Und deswegen heißen die Heiligen
Frauen auch die Myrrhetragenden, denn sie brachten dieses kostbare Öl
mit zum Grabe des Herrn. Sie machten sich keine Gedanken darüber, wer
ihnen den Stein vom Grab wegschieben werde. Sie haben nicht darüber
nachgedacht, dass sie ein Risiko eingehen, denn das Grab wurde ja
bewacht. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie sie den Ritus vollziehen
würden. Das war ihnen nicht wichtig. Ihr Herz forderte Taten, die
Liebestat der Salbung, und so gingen sie. Und diese Frauen werden die
ersten Zeugen der Auferstehung Christi. Das ist eine erstaunliche
Besonderheit unserer evangelischen Geschichte, denn die antike Welt
achtete das Zeugnis einer Frau gering. Die Gerichte akzeptierten
Zeugenaussagen von Frauen manchmal gar nicht. Hier sehen wir, dass die
Christen manchmal verlacht wurden von der heidnischen Welt wegen dieser ersten Zeugenschaft der Auferstehung Christi durch Frauen. Frauen! Für uns ist das aber ganz im Gegenteil ein Faktum, das die Echtheit
bestätigt von dem, was im Evangelium geschrieben steht. Denn, wenn es
eine Frucht der Phantasie oder künstlerischen Genies seiner Jünger wäre,
dann hätten sie natürlich keine Frauen erwähnt. Etwas später in seinen
Predigten an die Heiden erwähnt der Apostel Paulus keine Frauen. Er
sagt, dass der erste, dem der Herr erschien, Petrus war. Aber die
Evangelien sagen uns die Wahrheit, dass die ersten Zeugen dieser Freude
der Auferstehung Frauen, die Heiligen Myrrhetragenden Frauen waren.
Noch heute hören wir, dass die Kirche Sie in ihren liturgischen
Lobgesängen Apostel für die Apostel nennt. Wir hören, wie die Kirche
ihren Mut lobpreist, der die Männer und Apostel inspiriert und gelehrt
hat. Wir kennen die wunderbaren Worte des Heiligen Nikolaus von Serbien, dass die Frauen mit Myrrhe kamen, um den toten Leib ihres Lehrers zu salben, aber dem Herrn begegneten, der ihre Seelen mit Frieden salbte und mit Freude erfüllte.
Das ist das, wozu die Kirche heute jeden von uns aufruft. Dass die Seele
eines jeden von uns lerne und versuche den Seelen der Heiligen
Myrrhetragenden Frauen ähnlich zu werden. Dass sie sich vom frühen
Morgen an aufmache zum Grabe des Herrn, an jedem Tag ihres Lebens. Dass wir mehr als alles diese geistige Wachheit suchen, Wahrheit suchen und Sinn. Dass wir das suchen, was uns persönlich erhebt über das
Alltägliche und mit Gott verbindet, was das Hauptanliegen unseres
christlichen Herzens ist.
Möge uns allen die geistige Liebestat der Heiligen Myrrhetragenden
Frauen zu christlichen Taten inspirieren. Und mögen uns die Worte
trösten, die der Herr zu den Heiligen Frauen sprach, und mit Freude
erfüllen. Die ersten Worte waren: „Freut euch!“. Lasst uns unsere
Lebenszeit freudvoll verbringen und uns daran erinnern, dass auch Leid
und Kummer, die uns gelegentlich auf unserem Weg ereilen, von Gott
gesandt sind. Er lenkt und aus Seiner weisen und väterlichen Hand
erhalten wir alles, was in unser Leben eingeht. Schwer ist es manchmal,
ratlos sind wir oft, wie es auch die Heiligen Frauen und Apostel am
leeren Grab des Herrn waren. Aber die Engel haben sie aufgemuntert:
„Fürchtet euch nicht!“. Gebe Gott, dass wir uns nicht fürchten, auch
nicht in Lebensumständen, die uns brechen könnten. Gebe Gott, dass wir
uns stets an den Aufruf des Herrn erinnern, dass es jedem Christen
geziemt sich zu freuen. Gebe Gott, dass wir uns diese Freude erhalten
können und unseren Nächsten schenken.
Ich gratuliere heute ganz besonders den Frauen, die über Jahrhunderte
fortfahren, tätige Liebe auszuüben und Treue zu halten. Wir erinnern uns
an die Worte des Apostel Petrus, wie er die Frauen zu einem tugendhaften
und reinen Leben anhält, und ein Bild von der vollkommenen Frau
zeichnet. Wir verstehen, dass er sich das nicht ausdenkt, sondern vor
dem geistigen Auge vielleicht das Bild der Heiligen Myrrhetragenden
Frauen hatte, die für ihn vollkommene Ideale waren. Wir erinnern uns,
wie Apostel Petrus schrieb: „Nicht auf äußeren Schmuck sollt ihr Wert
legen, auf Haartracht, Gold und prächtige Kleider, sondern was im Herzen
verborgen ist, das sei euer unvergänglicher Schmuck: ein sanftes und
ruhiges Wesen. Das ist wertvoll in Gottes Augen.“ (1 Pet 3:3). Möge dies
uns ein Vorbild für jede Christin sein, aber gleichzeitig lasst uns
nicht vergessen, dass das Vorbild der Heiligen Myrrhetragenden Frauen
für tätiges Christentum, Sinnhaftigkeit, würdiges Verhalten und Treue
einer jeden christlichen Seele steht.
Christus ist auferstanden!