Hl. Johannes
Der Heilige Johannes von Kronstadt
Der Heilige Johannes von Kronstadt – mit weltlichem Namen Johannes Sergiew – wurde am 19. Okt. 1829 im Dörflein Sury in Nordrußland als Sohn eines Meßners geboren. Die gottesfürchtigen Eltern erzogen das Kind schon früh zum Gebet und Gottvertrauen. Als Johannes 6 Jahre alt geworden war, kaufte ihm sein Vater eine Fibel. (Kostenlose Schulen gab es damals nicht). Aber das Kind lernte schwer, vielleicht wegen seiner schwachen Gesundheit. Das Lernen war für ihn eine unsagbare Qual. Hilfesuchend wandte sich der Junge an Gott, von dem er wußte, daß Er ja sein himmlischer Vater war, der alles vermochte und ihn liebhatte. Sein kindliches Gebet wurde erhört; die Hemmung fiel, sein Verstand ging auf und kurz darauf konnte er lesen.
Es gibt Kindererlebnisse, die das ganze Leben eines Menschen bestimmen können. So ging es auch dem kleinen Johannes, der nun aus eigener Erfahrung die Kraft des Gebetes im Glauben und Vertrauen kennengelernt hatte.
Das, was das ganze Geheimnis dieses Gottesmannes ausmachte, seine ungemeine Gebetskraft kam eben davon, daß er bis zu seinem letzten Atemzug, trotz einer akademischen Bildung und einem Leben mitten in der Welt, diesen Glauben und dieses Vertrauen nie verlernt hat.
Mit 9 Jahren wurde der Junge in die Pfarrschule (Mittelschule) nach Archangelsk geschickt. Da fingen die Schwierigkeiten von neuem an, weil er, nunmehr von seinen Eltern getrennt, von seinen Mitschülern für seine ländliche Ungeschicktheit verlacht und verstoßen wurde, so daß er auf sich selbst angewiesen war. So war er zum letzten Schüler geworden. Da griff er wieder zum bewährten Mittel – zum Gebet und wieder wurde ihm geholfen; nach und nach verbesserten sich seine Noten so, daß er als guter Schüler in das Seminar versetzt wurde, das er 1851 als Primus absolvierte. Daß er in dieser Zeit durch eine besondere Neigung zur Beschaulichkeit oder – außer seinen guten Noten – durch außerordentliche Tugenden bzw. Leistungen aufgefallen wäre, ist nicht bekannt.
Nur diesen Zug kann man ihm durch sein ganzes Leben hindurch nachweisen: Was immer er tat, tat er gründlich und folgerichtig. Zwischen seinen Gedanken, seinen Worten und seinen Taten gab es keinen Widerspruch.
Aus dem Seminar wurde er auf seine guten Noten hin auf Staatsstipendium nach St. Petersburg in die Geistliche Akademie (Theologische Hochschule) geschickt, die er 1855 mit dem Titel eines Magisters der Theologie absolvierte.
Inzwischen war sein Vater gestorben und seine Mutter mittellos geblieben. Johannes wollte sein Studium sofort aufgeben, um für sie zu arbeiten. Aber die fromme Frau ließ das nicht zu. Es bot sich dann dem Studenten eine bescheidene Stellung als Schreiber in der AkademieKanzlei, wo die Posten an mittellose Studenten vergeben wurden. Den kargen Lohn sandte er dann restlos seiner Mutter.
Johannes war nicht der Meinung, daß ihm nach Beendigung seines Theologiestudiums und nach einer passenden Heirat eine Pfarrstelle „automatisch“ zustünde. Er wußte, daß es sich bei dem Priestertum um eine Gnade Gottes und um einen verantwortungsvollen Dienst handelte. Um diese Gnade betete er mit Inbrunst. Nun wurde ihm eine Priesterstelle am St. Andreas-Dom zu Kronstadt zugewiesen, die er bis zu seinem Tod, 53 Jahre später, behielt.
Ein Leben für Gott und die Menschen
Als militärische Hafenstadt wimmelte damals Kronstadt von Seeleuten, Wehrmachtsangehörigen und Hafenarbeitern, die hauptsächlich darauf bedacht waren, Feierabend-, Fest- und Landurlaubzeit so lustig wie möglich zu verbringen, und die deswegen sich betrunken in den Straßen und Anlagen herumtrieben, lärmend und Unfug anstellend. Dies entsetzte den jungen Priester und er versuchte, durch Zureden und Predigen diese „verlorene Schäflein“ zu bekehren. Daß er damit wenig Erfolg hatte, sondern sich vielmehr zahlreiche Unannehmlichkeiten und Demütigungen zuzog, kann man sich vorstellen! Das stieß ihn aber nicht ab; es spornte ihn nuran. Der Erfolg blieb ihm trotzdem versagt. „Daß ich zur Fürbitte für diese Menschen greifen sollte, kam mir nicht in den Sinn; dazu hatte ich damals weder Lust noch Verständnis“, sagte er später bei einer Priestertagung aus. So prüfte ihn der Herr auf Ausdauer und Eifer in seinem Dienst. Dann aber wies Er ihm den Weg, den er nunmehr gehen sollte.
Es lebte damals in Kronstadt eine fromme Witwe, Paraskewa Kowrigina, die auf die Weisung ihres Seelsorgers hin nach Kronstadt gezogen und sich dort dem Dienst an den Hilfsbedürftigen gewidmet hatte. Diese begann, Vater Johannes um Fürbitte für den oder jenen ihrer Schützlinge zu ersuchen. Am Anfang weigerte sich der Priester, weil er meinte, „sein unwürdiges Gebet könne nichts ausrichten“; doch ließ die Kowrigina nicht locker und beteuerte, Vr Johannes‘ Gebet würde bestimmt erhört werden. Fast unwillig gab er der Bitte statt. Aber Vr Johannes war ein Mensch, der nur aufs Ganze gehen konnte. Auch hier ging er aufs Ganze, gründlich, wie er alles tat. Da brach wieder sein kindlicher Glaube, sein kindliches Vertrauen durch und es betete der erwachsene Mensch, der Akademiker, mit derselben Wärme, mit derselben Zuversicht wie damals, da er als Sechsjähriger um das Verstehen der „Zeichen“ in seiner Fibel gebetet hatte. Von der bezwingenden Kraft seines Gebetes haben wir eine Vorstellung, wenn wir seine Aussagen über das Gebet in seinem Tagebuch: „Mein Leben in Christo“ lesen.
Dieselben Ursachen rufen dieselben Ergebnisse hervor: Auch jetzt wurden die Gebete von Vr Johannes erhört. Das ermunterte ihn, sich immer öfter für verschiedene Menschen fürbittend einzusetzen, allerdings nur, wenn die Betreffenden oder ihre Umgebung mitzubeten einverstanden waren; sein Hauptzweck war ja die Errettung der Seele, die Bekehrung der Ungläubigen und der Sünder.
Auf dem „kleinen Weg“
Vater Johannes hatte eingesehen, daß ein Priester, als Mensch, der zum „Haushalter über Gottes Geheimnisse“ gesetzt worden ist, auch selbst „treu erfunden werden“ sollte (1. Kor., 1-6). Deshalb begann er, bald nach seiner Priesterweihe, seine Arbeit an sich selbst, die Zucht seiner Seele. Zu diesem Zweck fing er an, sein Tagebuch: „Mein Leben in Christo“ zu führen. Darin notierte er Tag für Tag seine Verfehlungen, aber auch seine „Entdeckungen“ auf dem Gebiet des Geistes, sowie die Gnaden, die ihm zuteil wurden. Dieses Tagebuch ist uns erhalten geblieben. Es ist die Geschichte eines Menschen, der nach und nach, nur von gutem Willen und von Gottesliebe getrieben, der Gnade Gottes entgegeneilte und sich von ihr durchdringen ließ, eines Menschen, der seinen Glauben in Leben umsetzen und „die Wahrheit tun“ (1. Joh. 3, 7 u. 10) wollte. Nach und nach, immer die Gnade Gottes in sich aufnehmend und sich ihr immer mehr öffnend, gelang er vom Sumpf der „kleinen“ Leidenschaften, vom Staub der „kleinen“ Sünden und Sündengewohnheiten bis zu den Gipfeln der Heiligkeit ohne besondere Leistungen, ohne besondere Begabung, allein mit einem folgerichtigen, tätigen Glauben. Hier sieht man einen Menschen, der den „kleinen Weg geht und erfährt, bis wohin dieser „kleine Weg“ führen kann.
Wunder als logische Folge von Glauben und Vertrauen
Es genügt, einige Seiten von „Mein Leben in Christo“ zu lesen, um aufzuhören, über die Wundertätigkeit von Vr Johannes zu staunen, geschweige denn sie anzuzweifeln. Diese kommt einem dann als eine Selbstverständlichkeit, als eine logische Folge seiner Glaubenshaltung vor.
Der Gottesdiener war durchaus kein „Wunderdoktor“, der durch Magnetismus, Suggestion, Hypnose oder Ähnliches gewirkt hätte. Bei ihm waren, wie einst bei den Aposteln und Propheten, die Wunderheilungen nichts anderes, als ein „Zeichen zur Bestätigung des Wortes“ (Mk 16, 20), wobei diese Zeichen einzig und allein auf das Gebet hin geschahen. Dabei mußten auch die Anwesenden bzw. die Angehörigen des (bzw. der) Erkrankten mitbeten. Auch sollte die Heilung, wie erwähnt, die Bekehrung bzw. die Festigung des Glaubens und das Ernstnehmen der Gebote Gottes zur Folge haben; dies nicht nur für die Kranken, sondern auch für deren Umgebung.
Von Einbildung, von Autosuggestion aber kann hier keine Rede sein, nachdem sehr oft Säuglinge und Kleinkinder oder auch solche Menschen, die bewußtlos lagen, geheilt wurden. Desgleichen wurden täglich Abwesende geheilt, für die ein Brief bzw. ein Telegramm mit Ansuchen um Fürbitte geschickt wurde, manchmal ohne daß der betreffende Kranke davon unterrichtet worden war. Es war ja nicht Vr Johannes, der die Wunder wirkte, sondern Gott, den er darum bat in fester Zuversicht auf Seine Verheißung: „ALLES, was ihr bittet im Gebet, so ihr glaubet, werdet ihr empfangen“ (Matth. 21, 22).
Sein Tagesablauf
Meistens sah sein Tag folgendermaßen aus: Um 3 Uhr früh stand er auf, um sich zum Gottesdienst vorzubereiten. Er ging im Hof auf und ab und betete vor sich hin. Gegen 4 Uhr früh fuhr er zum Dom, zum Morgenamt (Mette). Am Haustor wartete eine Menge, um seinen Segen zu empfangen bzw. um Hilfe zu erbitten. Am Dom wartete eine andere Menge – die Bettler, denen er Almosen austeilte. Anschließend an das Morgenamt fing er die Feier der Göttlichen Liturgie an. Der Dom war übervoll und die Teilnehmer an der hl. Kommunion waren so zahlreich, daß der Gottesdienst manchmal bis 12 Uhr mittags dauerte. Von tausendköpfigen Mengen umgeben, verließ er den Dom, um sich unverzüglich nach St. Petersburg oder sonst wohin zu den auf ihn wartenden Kranken zu begeben. Selten kehrte er vor Mitternacht heim, um, wie er in seinem Tagebuch schrieb, „volle drei Stunden (!) eines erquickenden Schlafs zu genießen“. Seine einzige Ruhezeit während des Tages war die, die er in einem Eisenbahnabteil verbrachte. Oft war es nicht mehr, als die karge Stunde zwischen Kronstadt und St. Petersburg. Ab und zu – berichtete sein Biograph, Surski – kehrte er bei einer befreundeten Familie ein. Diese kurze Erholung benutzte er, um Zeitungen zu lesen, bzw. eine knappe Mahlzeit oder eine Tasse Kaffee oder Tee zu sich zu nehmen. (Überhaupt aß er, was ihm vorgesetzt wurde und wenn er sich Zeit dafür nehmen konnte.) Es verging kein Tag, wo nicht mehrere Kranke durch das Fürbittgebet des Gottesmannes geheilt wurden.
Aus den Hunderten von Berichten, die man heute über solche Fälle besitzt, entnehmen wir diese zwei, die besonders deutlich Gottes Absicht bei diesen Gebetserhörungen zeigen. Die Namen der betreffenden Personen, von denen die Angehörigen heute noch leben, sind in allen Originalberichten angegeben. Die Berichte selbst sind in offiziellen kirchlichen Dienststellen aufbewahrt.
St. Petersburg, im Winter 1893. Da lag, mit einer doppelseitigen Lungenentzündung, im Todeskampf, die Tochter eines bekannten polnischen Edelmanns röm.-katholischen Bekenntnisses, R… Nach Schätzung des behandelnden Arztes (des berühmten Dr. Botkin) sollte die Kranke die Nacht nicht überleben. Da die Mutter herzleidend war, ließ der Arzt seinen Assistenten, Dr. M…, zurück, der bei der Sterbenden die Nacht verbringen sollte, um gegebenenfalls der alten Dame Hilfe leisten zu können. Dr. B. bat den jungen Arzt, ihn sofort nach dem Ableben der Patientin zu verständigen. Kurz darauf riet eine Bekannte, Vater Johannes kommen zu lassen, der soeben in der Nähe eingetroffen war. Obgleich nicht orthodox, willigte der Edelmann ein. Die erste Frage des Priesters war, ob die Anwesenden an Gott glaubten. Nachdem sie bejaht hatten, forderte er sie auf, mit ihm zu beten. Die Sterbende war bereits bewußtlos und röchelte. Als Vater Johannes sein Gebet beendet hatte, legte er seine Hand auf ihren Kopf und sagte den Eltern: „Habt keine Sorge, sie wird wieder gesund.“ Dr. M., der seine Augen von der Sterbenden nicht abgewandt hatte, sah, wie das Röcheln plötzlich aufhörte und die Atemzüge ruhig und gleichmäßig wurden. Das versetzte ihn in solch ein Erstaunen, daß er sofort den Atem der Kranken scharf beobachtete und dabei feststellen mußte, daß sie schlief. Eine Stunde später erwachte sie und bat zu essen. Dr. M. ließ ihr Fleischbrühe verabreichen und begann, sie zu untersuchen. Sie war geheilt. Von diesem Tag ,in verteilte Dr. M. seinen beträchtlichen Verdienst an die Armen. Oft schickte er mittellose Patienten auf eigene Kosten in Kurorte. Sein Schwager, von dem dieser Bericht stammte, erzählte, daß er bis zu seinem Tode nichts besaß. Oft mußte ihm seine Mutter Kleidung und Wäsche anschaffen, weil er nicht nur sein Geld, sondern auch seine Bekleidung verschenkt hatte.
Der zweite Bericht stammte von einer Frau, die 1960 noch lebte und deren Eltern mit Vr Johannes gut bekannt waren. „Aus Petersburg brachte man uns eines Tages den Buben unserer Bekannten. Sein Bein war mit Holzbast verbunden. Der zu uns eingeladene Vr Johannes feierte einen Bittgottesdienst, nach welchem er den Bast entfernte und befahl, das Bein nur mit Mull zu verbinden. Am Abend spielte der Junge mit uns, vollständig gesund. Als man Vr Johannes fragte, was der Kleine gehabt hatte, antwortete er:„Sein Vater soll weniger trinken, dann wird der Junge gesund.“ Der Vater war tatsächlich ein Trinker, der sich daraufhin von seiner Sucht befreite.
Vater Johannes starb eines friedlichen Todes am 20. Dezember 1908. Im Jahre 1964 wurde er nach einer eingehenden Untersuchung von der Kirche heilig gesprochen. Doch nicht nur während seines Erdenlebens, sondern auch, wie er es kurz vor seinem Tod versprochen hatte, wirkte auch weiterhin und wirkt bis heute der heilige Gottesdiener, St. Johannes von Kronstadt, als Fürbitter. Der Verfasser kennt persönlich zwei von einer schweren Krankheit plötzlich geheilte Menschen, die sich an ihn gewandt hatten; einer von ihnen lebt heute noch. Beeindruckend ist der Fall eines in Buenos Aires kürzlich verstorbenen Prof. Eugen Moesner. Dessen Frau Ludmilla erkrankte 1952 an einem unheilbaren, äußerst qualvollen Leiden. Trotz allen Bemühungen der besten Ärzte, und trotz der stärksten Medikamente war es unmöglich, die Beschwerden der Kranken zu lindern, geschweige denn sie zu heilen. In der Nacht zum 6. 9. 52, als die Qualen unerträglich geworden waren, betete die Kranke unter Tränen, die ganze Nacht hindurch, zum hl. Johannes, er möge durch seine Fürbitte, wenn es Gott gefällig ist, ihre Schmerzen wenigstens erträglich machen. Am nächsten Morgen war die Krankheit verschwunden, was vom behandelnden Arzt bestätigt wurde. Aus Dankbarkeit ließ der hochbetagte Ehemann nach dem Tode seiner Frau – die nach ihrer Heilung noch mehrere Jahre lebte und dann ruhig und schmerzlos verstarb – eine kleine Broschüre zu Ehre des „Nothelfers“ aus eigenen Mitteln drucken. Da bezeugt er u. a. den Fall einer Bekannten aus Santiago de Chile, Isabella Martinez, einer frommen röm.-katholischen Christin, deren 17-jährige Tochter an Tuberkulose erkrankt war und durch die Fürbitte des hl. Johannes geheilt wurde. Auf Anregung einer orthodoxen Dame hatte sie zum Heiligen inbrünstig gebetet. Auch führt Prof. Moesner in seiner Broschüre die plötzliche Heilung des in Pantschevo/Jugoslawien seinerzeit an Zungenkrebs erkrankten Oberst Sch. an, die von zwei dort bekannten Ärzten, Dr. Lewizki und Dr. Nowikov, festgestellt und bezeugt wurde.
Er war für alle da!
Trotz seiner warmen Vaterlandsliebe, zeigte Vr Johannes nie Abneigung oder Geringschätzung Ausländern gegenüber. Und obwohl er ein überzeugter Orthodoxer war, der kompromißlos zu der Lehre der Orthodoxen Kirche festhielt, betrachtete er nie Andersgläubige „von oben herab“. Bei seiner Fürbitte machte er zwischen Orthodoxen und Nichtorthodoxen keinen Unterschied. Immer wieder hörte man ihn bei der hl. Liturgie Namen nennen, die offenkundig Andersgläubigen gehörten. Es wandten sich an ihn nicht nur Christen anderer Konfessionen, sondern auch Nichtchristen – Mohammedaner, Juden und andere. Einmal kam zu ihm ins Gotteshaus eine Tatarin. „Glaubst du an Gott?“ – fragte Vr Johannes. Und, als sie bejahte: „Gut, dann kniee nieder und bete zu deinem Gott; ich werde zu meinem beten.“ Und Gott erfüllte die Bitte der Frau. Ein anderes Mal war es ein Tatar, der sagte: „Dein Gott ist mächtiger als mein Allah. Bete, daß mir in meinem Unglück geholfen werde.“ Auch das schlug Vr Johannes nicht ab. Der französische Admiral Gervais schrieb ihm: „Geben Sie Raum in Ihrem gottgefälligen Gebet auch meiner Heimat, Frankreich!“ Vr Johannes betete für alle, die aufrichtig an Gott glaubten. Ein französischer (röm.-kath.) Bischof bat um 20 000 Franken, um ein Waisenhaus von Feinden des Christentums loszukaufen. Diese Bitte wurde von dem orthodoxen Priester sofort erfüllt.
Der Prophet
Vater Johannes besaß im hohen Maße die prophetische Gabe. Er war im genauesten Sinne des Wortes ein „Hellseher“. Hier einige Beispiele:
1903 wurde in Albanien der russische Konsul ermordet. Seinen Hinterbliebenen war eine Entschädigung von 400 000 Goldrubel versprochen, aber die Leute konnten nicht entscheiden, ob sie diese Summe annehmen sollten oder nicht. So fuhr die Mutter des Ermordeten zu Vr Johannes, um sich von ihm Rat zu holen. Am Haus des Priesters stand wie immer eine Menschenmenge, die auf Einlaß wartete. Als Vr Johannes heraustrat, überschaute er mit einem Blick die Menge und dann zeigte er auf die Dame mit den Worten: „Mutter, komm her zu mir!“ Und bevor sie etwas sagen konnte, sprach der Priester: „Du bist eine echte Mutter. Für das Blut des Sohnes darf man kein Geld annehmen!“
Als er das Frauenkloster zu Ehre des hl. Johannes von Ryla, seines Schutzpatrons, erbauen ließ, sagte Vr Johannes eines Tages dem Architekten: „Setzen Sie bitte noch mehr Wohnräume hinzu, für die Lesna-Nonnen!“ Damals konnte niemand verstehen, was damit gemeint war. Erst im 1. Weltkrieg – etwa 6 Jahre nach seinem Tode, als man aus dem Westgebiet das Lesna-Kloster evakuierte und 40 Nonnen im Johannes-Kloster Unterkunft fanden, wußte man es.
Wie er vom Durchschnittpriester zum heiligen Gottesdiener wurde
Im Gegensatz zu den Heiligen des Mittelalters und der Neuzeit, hat Johannes von Kronstadt nichts „Übermenschliches“ geleistet. Keine Bußübungen, keine besondere Askese, wie er es selbst bestätigte.
Die Fastenzeiten hielt er zwar gewissenhaft ein, wie es auch sonst von jedem Orthodoxen verlangt wird, aber so fasten, wie es die Mönche in strengen Klöstern tun, konnte er nicht. Stets unterwegs, außer der Zeit, die er beim Gebet und Gottesdienst verbrachte, konnte Vr Johannes nur das essen, was ihm vorgesetzt bzw. angeboten wurde.
Gekleidet war er gut, weil ihm seine Kleidung geschenkt wurde, und er wollte nicht die Gläubigen durch Abschlagen dieser Gaben kränken. Zwar schlief er wenig, aber nicht als etwaige Bußübung, sondern weil er sich keine Zeit dazu nahm; der Dienst an Gott und an dem Nächsten ging bei ihm vor.
Was brachte ihn dann auf solch eine geistliche Höhe? – Wie bereits gesagt, er war ein Mensch, der nur „aufs Ganze ging. In seinem dreifachen Dienst – an Gott, Seiner Kirche und am Nächsten, ging er stets aufs Ganze, indem er die Weisungen des Evangeliums ganz genau beherzigte und in die Praxis umsetzte. Das aber, was ihm die Kraft dazu verlieh, war der Umstand, daß er auch in seinem liturgischen Tun aufs Ganze ging und somit im wahrsten Sinne des Wortes in und mit Christus lebte. Ihm hat deswegen auch die Verheißung des Herrn gegolten:
„Wenn ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, so bittet, um was immer ihr wollt und es wird euch widerfahren“ (Joh. 15, 7).
Die Widrigkeiten
Wie (ausnahmslos) jeder, der sich um den Dienst an Christus und an Seiner Kirche aufrichtig bemüht, mußte auch St. Johannes von Kronstadt Feindschaft, Verleumdung und üble Nachrede erleiden. Dies um so mehr als die Wunder, die Gott auf seine Fürbitte hin wirkte, ihm außerdem noch den Haß der Neider einbrachte. Der Heiland hatte ja Seinen Jüngern prophezeit: „Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen“ (Joh. 15, 20) und: „Der Jünger ist nicht über den Meister noch der Knecht über seinen Herrn. Haben sie den Hausherrn Belsebub geheißen, wieviel mehr werden sie seine Hausgenossen so heißen!“ (Matth. 10, 25). Aber die Abneigung und der Argwohn gegen Vr Johannes kam nicht nur von erklärten Feinden des Christentums sondern auch von Kirchenmännern, die selbst große Gottesdiener waren, wie z. B. der heiligmäßige Bischof Theophanes der Klausner. Man muß aber zufügen, daß in solchen Fällen, da die Kritik nur auf Mißverständnissen beruhte, sich diese sehr bald in Anerkennung wandelte.
Das große Mißverständnis
Wenn man über das Leben und das Werk des Gottgefälligen nachsinnt, so wird einem klar, daß dieser, damals wie heute, von vieler seiner Verehrer gründlich mißverstanden wird. Es ist nämlich nie die Absicht St. Johannes‘ gewesen, die Menschen durch Wunderheilungen und Prophezeiungen in Erstaunen zu setzen, geschweige denn einen „Personenkult“ zu stiften. Wie er sich selbst einschätzte, ist aus seinen Worten bei einer Priesterversammlung im Jahre 1904 zu ersehen, wo er gebeten wurde, über seine erfolgreiche Tätigkeit zu sprechen. Über diese sagte er u. a. aus: „Alles, was in mir gut ist, das kommt durch Gottes Gnade; alles aber, was unvollkommen und schlecht ist – das kommt von mir.“
Sein einziges Ziel war die Veranschaulichung der ewigen Gültigkeit des Evangeliums. Er wollte zeigen, daß die Wahrheit, die Christus geoffenbart hat, nicht nur vor ca. zweitausend Jahren, sondern HIER UND HEUTE und zwar FÜR ALLE gilt. „Der Jünger ist nicht über seinen Meister; wenn er aber vollkommen wird, so wird er, wie sein Meister“, spricht der Herr (Luk. 6, 40). Die ganzen Gnadengaben, die St. Johannes verliehen wurden, waren nichts als Zeichen zur Bestätigung seiner Predigt, darunter seiner schriftlichen Predigt, die auch nach seinem Tode wirken sollte.
Daß St. Johannes von Kronstadt die Menschen zu Christus und Seiner Kirche führen wollte und nicht seinen eigenen Ruhm suchte, das vergessen gar zu oft diejenigen, die ihn zu gerne als eine Art „Wunderdoktor“ und „Hilfeautomat“ betrachten möchten, ohne den eigentlichen Sinn und Zweck seiner Hilfe einzusehen, und zwar daß dieses Ziel die Heilung bzw. die Heiligung vor allem der Seele war, entweder weil diese Seele vom Weg Christi abgewichen war oder (wie z. B. im Falle von Ludmilla M.), um durch sie die ewige Gültigkeit der Verheißungen Christi zu bezeugen.
(aus „Orthodoxe Rundschau“, Heft 18, 1973)
Sein Festtag ist der zweite Januar ( 20. Dez.)
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