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Tagesbuch

Athos

13.09.2005 | Thema: Ambrosius Backhaus, Athos |

Ambrosius Backhaus
22087 Hamburg
Nütschau, 10. Dezember 2003

Der Athos ist ein wirklicher Ort auf unserer Landkarte, eine bergige, bewaldete Landzunge, umbrandet vom blauen Meer. Diese Landzunge, mit dem über 3000 m hohen Berg ATHOS an der Südspitze ist zu einem Ort, einem Raum des Gebetes geworden.

Wir Christen, orthodoxe Christen leben aus dem Geschenk des dreifaltigen Gottes, daß GOTT in Christus Mensch geworden ist.

„Um unseret- und um unseres Heiles willen ist ER herabgekommen vom Himmel und hat Leib angenommen vom Heiligen Geist und der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“

Auf dem Athos, in den Klöstern, in den Einsiedeleien, auf den Wegen, zwischen den Felsen, unter den Bäumen, an den Weinbergen, zwischen den Eseln, am Meer ist die Schöpfung gesegnet, sie ist GOTT geweiht.

Unter Segnung, Weihe verstehen wir: daß wir alles, was uns zu gehören scheint, was wir uns oft angeeignet haben, GOTT zurückgeben, IHM ganz und gar, von Herzen und in aller Klarheit und Kühle des Verstandes zurückgeben und nun alles neu aus SEINER Hand, aus SEINER Liebe empfangen. ER, unser Herr, Jesus Christus, vertraut uns diese Schöpfung an – vom Menschen bis zu den Blumen am Wegesrand; nun dürfen wir Gärtner, Weingärtner SEINER SCHÖPFUNG werden.

Immer neu, in den großen Wellen der Geschichte und der Zeit haben Menschen hier auf den Bergen und in den Tälern des Athos die Schöpfung in ihrer herrlichen Schönheit aus Gottes Hand immer neu empfangen.

Der Athos ist schön. Im Morgenlicht erhebt sich der Gipfel des Berges im zarten Dunst aus dem Meer in den hellen Himmel. Pfade aus natürlichen Steinen führen die Berge hinauf, in die Täler hinab zum Meer. Tannen und Blumen duften in der Stille und Hitze des Mittags. Leise schlagen die Wellen an den hellen Strand und an die Mauern von Klöstern und kleinen Häuschen der Einsamkeit und des Gebetes. „Lasset uns schön dastehen – kalos -, lasset uns dastehen in Ehrfurcht, die heilige Darbringung in Frieden zu vollziehen.“ruft der Diakon nach dem Glaubensbekenntnis vor der Feier des Abendmahles, und alle antworten mit dem Gesang des Chores:

„Huld des Friedens, Opfer des Lobes.“

So durchzieht den Athos eine Schönheit, die aus dem Gebet hervorwächst und heranreift. Die großen und kleinen Kirchen leuchten im Licht der Kerzen, sind erfüllt vom Duft des Weihrauches, der mit dem Gebet zu Gott aufsteigt und der in den aufsteigenden Rauchschwaden jedem zuruft: Du bist geschaffen nach Gottes Bild und Ähnlichkeit.

In den Bildern, den Ikonen, öffnet sich unsere Welt in die Ewigkeit. Der Herr selbst, Jesus Christus, Pantokrator, Allherrscher und Allerhalter, begegnet uns in SEINEM heiligen Bild, Seine allheilige Mutter, die Immerjungfrau Maria, trägt uns das Kind, den vorewigen Gott, entgegen, wie uns die heilige Kirche den HERRN selbst in SEINEM kostbaren Blut und allreinen Leib entgegenträgt und austeilt. Gärten umziehen die Klöster in den Bergen, Weinberge erstrecken sich hinunter zum Meer, Zypressen stehen schlank und hoch gegen den tiefblauen Himmel. Junge Menschen kommen aus Griechenland, aus Serbien, aus vielen Ländern zu den kleinen Einsiedeleien zwischen den Bergen. Sie sitzen beieinander, hören dem Mönch zu, der sie mit Brot und Wein bedient, oder sitzen und stehen zusammen oder auch alleine zwischen den grünen Kiefern, auf den kleinen Balustraden über der Einsamkeit.

Der Ort, das Land, der Stein, die Bäume im warmen Wind, atmen die Nähe Gottes, DEM wir uns und dieses Land anvertrauen. Diese Nähe zur Heiligkeit des Dreieinigen Gottes ist einfach. Die Felsen und Wälder, die Klöster und Einsiedeleien sind erfüllt vom Atem des Gebetes. Es geht nicht zuerst um unseren Verstand und unsere Klugheit, sondern um die Einfachheit und Heiligkeit des Gebetes, das jetzt und zu allen Zeiten geflüstert, gesungen, unablässig wiederholt wird, bis das Herz wach bleibt, auch wenn der Beter schläft, wach im Atem der Liebe Gottes, die ihn aus dem dahinströmenden Gebet umfängt.Wir dürfen uns freuen an der Schöpfung, an Blume und Erde, an heiligem Bild, am Gesang der Anbetung, an dem weiten Raum, den Gottesdienst und die Fülle der Ikonen öffnet: Hier begegnen sich Erde und Himmel.

Wie meine Mutter sich freute, als sie schon über 90 Jahre alt war, an einem kleinen Strauß Heide, der ihr in Liebe vor 70 Jahren geschenkt wurde, oder an einem kleinen Marmor-Bruchstück aus dem Tempel in Pästum in Sizilien, das ihr eine Freund mitgebracht hatte, so dürfen wir uns freuen an den Felsen und Pflanzen, an den Kirchen und Klöstern, die uns die Geschichte des Berges, vom Gebet erfüllt und getragen, in unsere Zeit und Gegenwart gebracht hat.

Eine Welt ohne Frauen. Eine Welt, die erfüllt ist von der Frau, die Christus geboren hat, der Immerjungfrau und Gottesgebärerin Maria, der Wegführerin, der Heerführerin, die überall auf dem Heiligen Berge gegenwärtig ist in Ikonen, in Gesängen, im Gebet, im leuchtenden Blau des Himmels, das an ihr Schultertuch erinnert, daß sie fürbittend und segnend über die Betenden breitet.

Hier auf dem Berg und der schmalen Landzunge offenbart und erfüllt sich das Wesen der Frau. Die Immerjungfrau, die dem Engel antwortete: „Mir geschehe, wie du gesagt hast“, ist in Fürbitte mit den Klöstern und den kleinen Kapellen verbunden. In ihr wird die demütige Vollmacht der Frau spürbar, die neun Monate den wahren Gott, das kleine, aus ihrem purpurfarbenen Blut heranwachsende Kind in ihrem Leibe trug; die den Dienern in Kana zu Galiläa, als es den Hochzeitsleuten an Wein gebricht, sagt:

„Was ER euch sagt, das tut“, die in stummer Trauer und Schmerz neben dem Kreuz steht, an das ihr Sohn, unser Herr, genagelt wird, die DEN vom Kreuze genommenen toten Leib Ihres Kindes auf dem Schoß trägt, die inmitten der Jünger ist, als der Herr gen Himmel fährt und als in Jerusalem auf die Apostel der Heilige Geist in feurigen Zungen herabkommt.

Mit Maria ist der Heilige Berg erfüllt von der Frau, die Gott, den Vorewigen und Unanschaubaren, unter ihrem Herzen trägt. Sie ist Christus, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, geboren zu Bethlehem, wahrer Mensch, so nah wie kein Wesen und Geschöpf:

„Die du ehrwürdiger bist als die Cherubim und unvergleichlich herrlicher als die Seraphim, die du unversehrt Gott, das WORT, geboren hast, wahrhafte Gottesgebärerin, dich preisen wir.“

So kündet der Heilige Berg mit seiner Geschichte, mit seinen Gebeten, mit seinen Klöstern und Bildern davon, wie die Frau in Maria den Menschen, uns zu Gott geführt hat, da sie sich mit Leib, Seele und Geist, mit Willen und Klugheit dem Dreifaltigen Gott öffnete, daß ER um unseret- und um unseres Heiles willen geboren werde und Mensch geworden ist in die Arme SEINER Mutter, die IHN uns entgegenträgt.

Vom Athos, der Welt betender Männer, fällt in Maria ein Licht und eine Helle auf die Frau, auf alle Frauen, in denen die wahre Gestalt der Frau zu leuchten beginnt.Die Dunkelheit breitet sich von Westen über den Athos aus, das Licht unzähliger Kerzen erleuchtet Kirchen, Kapellen, kleine Zellen, und der flackernde Schein fällt über Bäume, Felsen und Gräser, die sich im Nachtwinde wiegen.

Ambrosius Backhaus
(23.08.1923 – 03.04.2005)


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