Predigt über die Kommunion der heiligen Geheimnisse
21.02.2007 | Thema: Predigt |
Hl. Ioann von Kronstadt
Nehmet den Leib Christi, kostet die unsterbliche Quelle
(Kommuniongesang).
Vor Euch, du Herde, die du nach Christus heißt, befindet sich in diesem Kelch der göttliche Leib und das göttliche Blut unseres Herrn Jesus Christus und ihr habt euch durch Fasten und Beichte zum Empfang dieser heiligen unsterblichen und lebendigmachenden Geheimnisse vorbereitet. Um sie würdig zu empfangen, wird von einem jeden von euch verlangt:
Erstens. Der kindliche, schlichte Glaube, daß ihr unter der Gestalt von Brot und Wein den allerreinsten Leib und das allerreinste Blut des Erlösers empfangt, daß ihr den Erlöser Selbst mit eurem Mund in euren Herzen empfangt, ein Fleisch und Blut mit Ihm werdet und ein Geist, wie gesagt ist: „Denn wir sind Glieder Seines Leibes, von Seinem Fleisch und Seinem Bein“.[Eph 5,30] „Wer Mein Fleisch isset und trinket Mein Blut, der bleibt in Mir und Ich in ihm“.[Joh 6, 56] Und „wer aber dem Herrn anhanget, der ist ein Geist mit dem Herrn“ [1Kor 6,17]; denn in dieser Partikel des Leibes und des Blutes Christi Gottes, die ihr empfangt, befindet sich der ganze Jesus Christus als Seele im Leib.
Es wird von euch zweitens die vollständige unerschütterliche Hoffnung auf die Barmherzigkeit des Erlösers gefordert, daß Er, als göttliches Feuer, mit Seinem Blut all eure Sünden verbrennt und reinigt; deshalb übergebe sich jeder unter euch im Bewußtsein seiner Unwürdigkeit, die göttlichen Geheimnisse zu empfangen, vollständig der Barmherzigkeit des Herrn, damit Er selbst durch Seine Gnade euch würdig mache des Empfangs Seiner heiligen Geheimnisse; jeder sei guter Hoffnung, niemand schwanke, niemand sei kleinmütig, niemand verzage bei der Vorstellung seiner Fluchwürdigkeit und Untauglichkeit; vom Kelch wird allen die Gnade des Gebieters und die große Verzeihung und Reinigung der Sünden gewährt. Nur glaubt und vertraut.
Es wird drittens eine große, brennende engelgleiche Liebe der Kommunikanten zu dem Erlöser verlangt; auf die Liebe des Herrn soll jeder von euch mit Liebe antworten; denn sagt: welche Liebe Gottes hat sich uns Sündern darin erzeigt, daß Gott Selbst, der für uns Fleisch angenommen hat, gelitten hat, gestorben und auferstanden ist, uns zur Nahrung und zum Trank Seinen göttlichen Leib und Sein Blut gegeben und Sich dadurch mit uns in allerengster Vereinigung verbunden hat, mit uns zusammengewachsen oder Sich mit uns vermischt hat, indem Er uns zu Teilhabern Seiner göttlichen Natur gemacht hat! Welche Mutter, welcher Vater, haben irgendwann ihre Kinder so geliebt wie uns der Herr geliebt hat? Und wofür vereinigt sich der Herr mit uns in den heiligen Geheimnissen? – Dazu, um uns von dem Schmutz der Sünden zu reinigen, von dem Schmutz der an Abscheulichkeit und Tödlichkeit nicht übertroffen werden kann; um uns Seine Heiligkeit mitzuteilen, Sein göttliches Leben, Seinen Frieden, Erquickung, Freude, Leichtigkeit, Süße, Freiheit, deren es nichts Kostbareres und Wünschenswerteres auf der Welt gibt; um uns, gereinigt von den Sünden, verwandelt und erneuert, zu Sich in die Himmel zu nehmen, in das ewige Leben, in die ewige Seligkeit: denn mit Sünden und mit Leidenschaften kann niemand im Paradies sein: „Wer Mein Fleisch isset und trinket Mein Blut, der hat das ewige Leben“, sagt der Herr, „und Ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken“.[Joh 6,56]
So entflammt, die ihr an den göttlichen Geheimnissen kommunizieren wollt, eure Herzen in Liebe zum Erlöser. Heiliger Geist, Tröster, Hort der Güter, gieße Deine Liebe in unsere Herzen!
Es wird von euch viertens die Veränderung des Herzens verlangt. Bisher haben viele von euch die Sünde geliebt, alle habt ihr euch willentlich oder unwillkürlich der Sünde übergeben; nun strebt danach, sie gänzlich zu hassen; denn die Sünde ist eine Ausgeburt des Teufels, ist Widerstand gegen Gott. Trachtet alle danach, verwandelt zu werden in der Tiefe eurer Seele. Ihr wollt den Leib und das Blut des göttlichen Lammes kosten, des sanften und milden Herrn Jesus Christus. Seid deshalb auch selbst sanfte und milde Lämmer, geduldig und dem Willen Gottes ergeben, der Kirche, dem Willen der Eltern, Vorgesetzten, Älteren. Ihr empfangt den Leib und das Blut des Erlösers, aber Er ist ganz Liebe, und Ihm sind Feindschaft und Bosheit fremd. Trachten auch wir danach, in gegenseitiger Liebe zu leben; verzeiht Beleidigungen, vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Ärger mit Ärger. Tretet hin zu dem Herrn, dem himmlischen König, der uns alle zum Himmel führt; trachtet danach an das zu denken, was oben ist, bemüht euch, himmlische Sitten zu erwerben, laßt die leidenschaftliche Neigung zu irdischen Dingen, die vergänglich sind und die Seelen knechten und verderben. Liebt das obere Vaterland, die obere Stadt Jerusalem, wo die Mutter Gottes und alle Heiligen sind, und wohin wir alle streben sollen. Verlaßt alle Unreinheit und sündlichen Leidenschaften, jeder zeige eine Wandlung zum Besseren, jeder zeige Besserung, jeder bringe dem Gebieter irgendeine gute Frucht guter Werke, jeder schaffe Früchte, die der Buße würdig sind. Herr! Du selbst verändere und erneuere uns!
Schließlich, damit wir diese himmlische Gabe, den allreinen Leib und das Blut Christi bewahren, wird von uns fünftens Achtsamkeit auf uns selbst verlangt, gegenüber unseren Gedanken, gegenüber unserem Herzen, gegenüber seinen Gefühlen und Neigungen, die Bezähmung seines sündigen Wünschens und Trachtens, auch Enthaltsamkeit bei Essen und Trinken, Enthaltsamkeit von Geschwätzigkeit, Übelreden, Schwören, und jeder Lüge. Mit einem Wort: Jeder hüte sich vor alldem, was Christus, dem Erlöser unserer Seelen, zuwider ist. Denkt daran, daß der Herr uns durch die Kommunion vergöttlicht, uns göttlich macht, und trachtet danach, göttlich zu leben in aller Heiligkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit. Ihr seid Kinder Gottes und Christi. Welches Leben aber gebührt den Kindern Gottes?
Euch alle würdige der Herr würdig und mit reicher Ernte die göttlichen Geheimnisse zu empfangen. „Wer den göttlichen Leib und das göttliche Blut unwürdig ist und trinkt, der ißt und trinkt sich selbst zum Gericht“ [1Kor 11,22], sagt der hl. Apostel Paulus. So tretet mit Glaube und Liebe hinzu, damit ihr Teilhaber des ewigen Lebens werdet. Amen.
Hl. Ioann von Kronstadt
(Полное собрание Сочиненiй протоiерея Iоанна Ильича Сергiева. Т.2 С.-Петербургъ 1894, 69-72)
Uebersetzung: Prof. Dr. Karl Christian Felmy / Перевод: профессор доктор Карл Христиан Фелми
Московская Духовная Академия присвоила профессору доктору Карлу Христиану Фелми в 2005 году степень почетного доктора богословия.
Karl Christian Felmy, geboren 1938 in Liegnitz/Schlesien, studierte von 1958 bis 1964 Theologie in Münster und Heidelberg. Von 1964 bis 1969 war er Verwalter einer Assistentenstelle am Ostkirchen-Institut in Münster. 1970 erfolgte seine Promotion mit einer Dissertation über das Thema “Predigt im orthodoxen Rußland. Untersuchungen zu Inhalt und Eigenart der russischen Predigt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.”
Nach der Ordination war er von 1971 bis 1975 Referent für Orthodoxie am Kirchlichen Außenamt der EKD in Frankfurt und anschließend Assistent am Lehrstuhl für Geschichte und Theologie des christlichen Ostens in Erlangen (Professor Dr. Fairy v. Lilienfeld). 1981 wurde er in Erlangen habilitiert. Nach einer Zwischenstation als Pfarrer in Fürth war er von 1982 bis 1985 Professor für Konfessionskunde in Heidelberg. 1985 wurde er auf den Lehrstuhl für Geschichte und Theologie des christlichen Ostens der Universität Erlangen-Nürnberg berufen. Zwischen 1995 und 1997 war Prof. Felmy Dekan der Theologischen Fakultät.
Er ist Mitglied der Kommission für den Dialog zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Russischen Orthodoxen Kirche und der Kommission des Lutherischen Weltbundes für den Dialog mit der Orthodoxie.